Das brasilianische Schulsystem


Schule ist hier ziemlich unterschiedlich, aber es gibt auch ein paar Gemeinsamheiten. Hier werde ich mal ein paar Unterschiede aufzählen.

Inhalt

Private und öffentliche Schulen

Einer der größten Unterschiede ist es, dass eine Zweiteilung in öffentliche und in private Schulen gibt. Die öffentlichen sind kostenlos, dafür allerdings sehr schlecht mit Material und Lehrpersonal, das dann auch noch schlecht ausgebildet und bezahlt ist, ausgestattet. Entsprechend schlecht ist dann auch der Unterricht, und wer es sich leisten kann, bis zu 120 Euro pro Monat und Kind zu bezahlen, schickt seine Kinder auf eine private Schule. Zu der Monatspauschale kommen dann aber auch noch Sachen wie Bücher, beim ersten Kind können da beim Jahresanfang schonmal 200 Euro aufkommen. Die Zweiteilung geht dann auch bei den Universitäten weiter, dort sind die privaten zwar nicht umbedingt besser, allerdings ist es manchmal sehr schwierig, das Vestibular einer öffentlichen Uni zu bestehen.

Die Schultypen

Ein anderer Unterschied ist, dass es anstelle der vielen unterschiedlichen Schulen wie Grundschule, Realschule, Gymnasium, etc. nur zwei verschiedene Schulen gibt: die Grundschule und die Mittelschule. Erstere beinhaltet die Jahrgangsstufen 1 bis 8 und letztere nochmal 3 Stufen, zusammen also 11 Jahre. Das kann aber beliebig lange werden, es gibt nämlich keine Höchstdauer für Sitzenbleiber, wer will, kann solange eine Klasse besuchen wie er will. Am Ende der Schule gibt es kein Abitur, man verlaesst die Schule einfach mit dem letzten Jahreszeugnis.

Die Fächer und der Stundenplan

In der Mittelschule hat man folgende Fächer: Portugiesisch, Literatur, eine Fremdsprache (Englisch oder Spanisch), Mathe, Physik, Chemie, Biologie, Religion, Sport, Erdkunde, Geschichte und Philosophie, die letzten drei aber nicht in allen Jahrgangsstufen. In der Grundschule kommt Kunst dazu, Literatur und Philosophie fallen weg und Biologie, Chemie und Physik sind in Wissenschaften zusammengefasst. Man hat normalerweise 5 Stunden a 50 Minuten pro Tag, unabhängig von der Jahrgangsstufe, und man kann wählen, ob man vormittags oder nachmittags Unterricht haben will. Man hat jeweils 3 Stunden Unterricht, dann eine 15 minütige Pause und dann nochmal 2 Stunden. Vormittags fängt die Schule um 7:30 Uhr an und hört um 11:55 Uhr auf, nachmittags weiß ich es nicht.

Die Noten

Im Prinzip kann jede Schule fuer sich entscheiden, wie sie benoten will, welche Kriterien für das Bestehen des Jahres gelten, etc., aber die meisten Schulen verwenden ein ähnliches System wie das meiner Schule, das ich hier beschreibe.

Hier bekommt ein Schüler keine Noten, sondern Punkte. Aus denen wird dann nicht der Durchschnitt errechnet, sondern sie werden einfach am Ende des Jahres summiert. Im ersten und zweiten Trimester kann man in den Tests jeweils maximal 30 Punkte in jedem Fach sammeln, im letzten Trimester dann 40. Das ergibt zusammen 100, davon braucht man mindestens 50 Punkte um zu bestehen. Wenn man am Ende eines Trimesters mit seiner Note nicht zufrieden ist, kann man nochmal einen Test mitschreiben, der den ganzen Stoff des Trimesters als Inhalt hat und soviel wert ist wie das ganze Trimester. Die Note, die zählt, ist einfach die höhere, also entweder die vom Trimester oder die vom Nachholtest. So kann man einen Ausrutscher halt ganz einfach beseitigen.

Man kann Noten für drei Sachen bekommen: für Tests, Hausarbeiten und für Teilnahme am Unterricht. Wieviel ein einzelner Test, eine Arbeit oder die Mitarbeit zählt, entscheidet der Lehrer des jeweiligen Faches, dabei hat er freie Hand, er muss es nur für alle Schüer einer Klasse gleich machen. Deswegen gibt es z.B. auch keine mündlichen Abfragen, die wären ja für jeden Schüler unterschiedlich.

Die Unterrichtsmethoden

Hier liegt ein weiterer großer Unterschied. Die Unterrichtsmethoden und damit auch die Unterrichtsqualität sind in Deutschland (zumindest auf dem Gymnasium) deutlich besser als selbst in den privaten Schulen in Brasilianisch. So ist z.B. der Unterricht deutlich einseitiger. Es läft praktisch immer so ab: Der Lehrer diktiert neuen Stoff oder schreibt ihn an die Tafel, die Schüler kopieren und machen dann ein paar Aufgaben, wobei sie natürlich Fragen stellen können. Dass der Lehrer und die Schüler wirklich zusammen neuen Stoff erarbeiten kommt praktisch nicht vor, und auch irgendwelche anderen Aktivitäteten sind selten. Und die Tests bestehen in der Mehrheit nur aus Multiple-Choice-Fragen, was natürlich für den Schüler viel angenehmer ist, aber eben auch nicht gerade den Lerneffekt fördert. So kommt es, dass in Brasilien zwar ungefähr dieselben Sachen behandelt werden wie in Deutschland, aber viel oberflälicher, und die Schüler behalten viel weniger davon.

Das Vestibular

Um auf einer Universität studieren, muss man beim "Vestibular" mitmachen. Das ist ein grosser Test in 9 Fächern (Portugiesische Grammatik, Literatur, eine Fremdsprache (Englisch oder Spanisch), Mathe, Physik, Chemie, Biologie, Erdkunde und Geschichte) in der Uni. Da gibt es aber keine festgesetzte Punktzahl, die man erreichen muss, um zu bestehen, man muss "nur" besser sein als die Konkurrenz. D.h., wenn es für einen Kurs 100 Plätze gibt, muss man unter den 100 Besten aller Bewerber für diesen Kurs sein, und man muss in jedem Fach mindestens eine Frage richtig haben. Da aber der komplette Test nur aus Multiple-Choice-Fragen mit 5 vorgegebenen Antworten besteht, ist es sehr schwierig, keine Antwort richtig zu haben. Das heißt nun, dass man in einen Kurs, für den es weniger Bewerber als Plätze gibt, praktisch als Analfabet durchkommt, andererseits ist es sehr schwierig in hochbegehrte Kurse wie Medizin oder Jura hineinzukommen. Vor allem in den öffentlichen kostenlosen Unis kommen da schonmal 25 oder mehr Bewerber auf einen einzigen freien Platz.